Staatsschutzder Augsburger Polizei | Pressemappe
Pressekonferenz Freitag (20.5.2022) 10:00 Uhr im Moritzsaal
der Augsburger Moritzkirche mit Janika Pondorf, ihrer Mutter, der
psychologischen Psychotherapeutin Birgit Zech sowie Ingo Blechschmidt und
Julius Natrup.
Zusammenfassung
1. Zum Konsumspektakel Black Friday 2019 brachte Greenpeace
Augsburg in der Innenstadt abwaschbare konsumkritische
Kreidebotschaften an.
2. Fünf Monate später, genau heute vor zwei Jahren, nutzte die Abteilung Staatsschutz
der
Augsburger Polizei diese Aktion als Vorwand, um mit der Begründung Gefahr
im Verzug
zeitgleich die Wohnungen von
Janika Pondorf (damals 15) und Ingo Blechschmidt (damals 31), die sie als
Hauptverantwortliche von Fridays for Future Augsburg las, zu
durchsuchen und Handys zu konfiszieren.
3. Beweise für eine Beteiligung fanden
sich nie, die Verfahren wurden sogar ohne Anklageerhebung eingestellt; doch
der Übergriff verursachte bei Janika posttraumatische
Belastungsstörung (PTBS), weswegen sie über Monate in stationärer Behandlung
war.
4. Dieser Vorstoß der Abteilung Staatsschutz
war der erste in einer
seitdem andauernden Serie von Verfolgung von friedlichem
Klimagerechtigkeitsaktivismus in Augsburg. Der vorerst letzte war die als Pimmelgate Süd überregional
bekannt gewordene Hausdurchsuchung bei Alexander Mai.
Staatsschutz)
Eingriff in intimen Schutzbereich
Auf den Tag genau vor zwei Jahren, am 20.5.2020, griff die Abteilung
Staatsschutz
der Augsburger Polizei um 7:00 Uhr morgens mit zwei
Hausdurchsuchungen in den intimen Schutzbereich von zwei
Augsburger*innen ein, die sie als hauptverantwortlich für Fridays for
Future Augsburg sahen: die damals 15-jährige Schülerin Janika
Pondorf sowie den damals 31-jährigen Mathematik-Dozenten Ingo
Blechschmidt.
Die Abteilung Staatsschutz
drängte direkt in
Janikas Zimmer und ließ ihr
Bei Ingo Blechschmidt unternahm die Abteilung
Staatsschutz
dasselbe, nur dass sie ihm Gelegenheit zum Anziehen bot, aufgrund seiner
Volljährigkeit keine Eltern involviert waren und auf die Modellierung
seines Gesichts verzichtet wurde.
Durchsuchungsvorwand Gefahr im Verzug
– fünf Monate
nach der vorgeworfenen Aktion
Fünf Monate vor der Hausdurchsuchung, in der Nacht auf den 29.11.2019, brachten Greenpeace-Aktivist*innen anlässlich des Black Fridays in der Innenstadt abwaschbare Kreidebotschaften an. Greenpeace bekannte sich direkt am Morgen des 29.11.2019 zu der Aktion (siehe Pressemitteilung von Greenpeace und AZ-Artikel unten).
Das übliche behördliche Vorgehen im Nachgang solcher Aktionen besteht darin, Greenpeace zur Reinigung aufzufordern oder sie selbst vorzunehmen und dann Greenpeace in Rechnung zu stellen.
Stattdessen nutzte die Abteilung
Staatsschutz
der Augsburger Polizei den Anlass, um fünf Monate
später unter dem Vorwand Gefahr im
Verzug
die Initiative Fridays for Future Augsburg
massiv einzuschüchtern und einzuschränken, indem sie gleichzeitig bei
denjenigen Menschen, die sie als Hauptverantwortliche las, Hausdurchsuchungen
durchführte. (Janika war als FFF-Pressesprecherin bekannt und
sprach als solche im Umweltausschuss des Augsburger Stadtrats. Ingo trat
oft als Anmelder der FFF-Demos auf.) Fridays for Future Augsburg organisierte damals die
regelmäßigen Schulstreiks und sonst nichts.
Hausdurchsuchungen bei Aktivist*innen von Greenpeace Augsburg erfolgten keine. Die beiden Initiativen setzen unterschiedliche Akzente und hatten damals wie heute keine personellen Überlappungen.
Janika war immer schon sehr auf Regeleinhaltung bedacht
Wie auch kürzlich in einem AZ-Portrait festgehalten, war Janika die Einhaltung von Regeln immer äußerst wichtig. Selbst wenn ihre Familie ausnahmsweise bei Zeitdruck über rot ging, blieb sie stehen. Janika brauchte selbst große Überwindung, zu den FFF-Schulstreiks zu kommen. Janika beging nie auch nur eine Ordnungswidrigkeit und das ist auch heute noch so. Auch Verweise, Nachsitzen, etc. hat sie nie bekommen, außer als Strafe für die Schulstreiks.
Die von Greenpeace angebrachten Kreidebotschaften waren konsumkritisch. Janika war allerdings als ausgesprochene Kritikerin von Konsumkritik bekannt, in der Bewegung immer mahnend, nicht den Protest an Privatpersonen sondern an die Politik zu adressieren, die die Macht über die großen Stellschrauben habe. Bei Janika von einer Teilnahme an der Kreideaktion von Greenpeace auszugehen, war für alle Kenner der Szene absurd.
Beide Verfahren wurden nach mehr als einem Jahr sogar ohne Anklageerhebung eingestellt – doch die umstrittene Hausdurchsuchung löste bei Janika PTBS aus (posttraumatische Belastungsstörung)
Für Ingo Blechschmidt war die Hausdurchsuchung eine Belastung, er fühlte sich lange Zeit nicht mehr wohl in seinem Haus, doch am schlimmsten für ihn war, dass seine beiden Schwestern dadurch sehr gelitten haben. Dennoch hat er das Erlebte verarbeiten können. Janika hatte weniger Glück:
Der derart intensive Eingriff in die Intimsphäre, gekoppelt an
die Unerklärbarkeit des eigentlich für immer richtig gehaltenen
polizeilichen Handelns, verursachte bei Janika eine
posttraumatische Belastungsstörung.
Sie musste über Monate stationär in die Klinik und hatte in den
zwei Jahren seit der Durchsuchung eine intensive
(Trauma-)Therapie. Ihr Abitur musste sie entsprechend um ein
ganzes Jahr verschieben, da sie über Monate hinweg nicht zur
Schule konnte. Mehrere Dissoziationen täglich waren für Janika an
der Tagesordnung. Im Straßenverkehr können diese sehr gefährlich sein. Die
Abteilung Staatsschutz
entschuldigte sich nie bei Janika
oder Ingo Blechschmidt, selbst nicht nach Einstellung der Verfahren.
Übergriff der Abteilung Staatsschutz
war Schock für die
Augsburger Klimagerechtigkeitsbewegung und veränderte sie nachhaltig
Die damals noch kleine Augsburger Klimagerechtigkeitsbewegung traf der unerwartete
Übergriff der Abteilung Staatsschutz
wie ein Schock. Zu
großen Teilen herrschte damals noch der naive Irrglaube in der Bewegung
vor, lediglich fehlende Aufmerksamkeit sei der Grund für das
klimapolitische Versagen, sodass sich nach einigen wenigen Demonstrationen
die gewählten Politiker*innen verantwortungsvoll um die Einhaltung des
Pariser Klimaabkommens kümmern würden. Nie rechnete man damit, mal im Fokus
von Ermittlungen der Abteilung Staatsschutz
zu stehen.
Dieser Schock veränderte die Augsburger Klimagerechtigkeitsbewegung
nachhaltig. Falls die Abteilung Staatsschutz
Einschüchterung als
Ziel hatte, erreichte sie nur das Gegenteil. Der Schock stieß einen
Reflektionsprozess an, der in einer genaueren
Analyse der politischen Verhältnisse mündete, das Aktionsniveau deutlich
anhob und den Nährboden für das Augsburger Klimacamp bereitete. Ohne den
Übergriff wäre es sehr wahrscheinlich bei Schulstreiks geblieben. So wurde
stattdessen das Klimacamp gegründet, das
zuvor für unmöglich gehaltene politische Erfolge
erzielte (Beschluss zum Augsburger CO₂-Restbudget, Vertrag zum Radbegehren) und sowohl
in Augsburg als auch in ganz Deutschland zu einer deutlichen
Weiterentwicklung der Klimagerechtigkeitsbewegung führte – etwa
der Gründung dutzender Klimacamps in zahlreichen Städten.
Abteilung Staatsschutz
verfolgt seit mehr als zwei Jahren
friedlichen Klimagerechtigkeitsaktivismus in Augsburg
Aus Sorge, dass Berichte über staatliche Repression von Kernanliegen wie einer
Mobilitäts- und Energiewende ablenken könnten, verzichteten Fridays for
Future Augsburg und das Augsburger Klimacamp bislang darauf, ihre
Verfolgung durch die Abteilung Staatsschutz
der
Polizei öffentlich zu machen.
Mit der Pimmelgate-Süd-Affäre änderten die Aktivist*innen ihre
Pressestrategie. Vorstöße seitens der Abteilung Staatsschutz
werden fortan konsequent benannt und frühere Vorfälle aufgearbeitet. Die
Hausdurchsuchung bei Janika Pondorf und Ingo Blechschmidt reiht sich in
eine lange Serie unverständlicher Ermittlungen durch die Abteilung
Staatsschutz
ein, mit immer denselben zwei verantwortlichen
Kriminalkommissaren auf polizeilicher Seite: Einsle und Grob.
Unverhältnismäßige Repression gegen Klimagerechtigkeitsaktivist*innen gibt es auch in anderen Städten. Dass Gerichte nachträglich die Illegalität der vorgenommenen Eingriffe (wie im Fall von Inhaftierungen im Rahmen der IAA-Proteste, Krautreporter) oder polizeiliche Zeug*innen in späteren Verfahren dann doch zuvor abgegebene belastende Aussagen korrigieren (wie im Fall Ella im Dannenröder Wald, Gießener Anzeiger), ist für die Betroffenen oft nur ein kleiner Trost.
Überregionale Kritik an Augsburger Staatsanwaltschaft
Die Augsburger Staatsanwaltschaft fiel in der Vergangenheit schon oft durch Irritationen rechtsstaatlicher Grundsätze auf. Besonders bekannt sind die im Nachhinein für rechtswidrig erklärten Hausdurchsuchungen der Verlagsräume der Augsburger Allgemeinen (nachdem der damalige CSU-Ordnungsreferent und jetzige CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich angab, sich in Reaktion auf einen Leserkommentar beleidigt gefühlt zu haben) und der Bastlerwerkstatt OpenLab Augsburgs, die nur durch eindeutig politische Justiz erklärbar ist.
Unter allen Staatsanwaltschaften europäischer Städte ist der Wikipedia-Artikel zur Augsburger Staatsanwaltschaft der längste. Er besteht der Länge nach aus ziemlich genau 75 % öffentlicher Kritik.
Die Pressekonferenz ergänzende Stellungnahme von Janikas Mutter
Wenn es Absicht war, meine Tochter einzuschüchtern, oder gar zu brechen
,
dann ist das eine riesen Sauerei. Wenn es keine Absicht war, wäre eine
Entschuldigung angemessen und möchte ich an die Verantwortlichen, die
Hausdurchsuchungen beantragen und weiter winken, appellieren, genauer
hinzuschauen. Was ist passiert? Wer ist die Person, auch, wie alt ist sie?
Stichwort Verhältnismäßigkeit
bei so einem massiven Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte. In jedem Fall ist hier offensichtlich
Nachbesserungsbedarf!
Wie werden zukünftige
Generationen die zum Teil rechtswidrigen Vorstöße der Abteilung
Staatsschutz
der Augsburger Polizei bewerten, die die Kriminalisierung
von friedlichem Klimagerechtigkeitsaktivismus zum Ziel haben? In einer Welt, in
der die negativen Folgen der Klimakrise Teil des Alltags geworden sind oder nur
mit sehr viel Mühe abgewendet werden konnten, wird man sicher nicht mit
Wohlwollen auf derartige Aktionen in der heutigen Zeit zurückblicken.
Staatsschutz: pp-swn.kpiz.os@polizei.bayern.de (+49 821 323-4548, Kriminaloberkommissar Einsle, Kriminalhauptkommisar Matthias Grob)
Seit über 600 Tagen ist das Augsburger Klimacamp in der Innenstadt Tag und Nacht besetzt. Wir setzen uns für günstigere Bus- und Trampreise, neue Buslinien, eine Umstellung der Augsburger Stadtwerke auf Ökostrom und andere Themen rund um Klimagerechtigkeit ein. Mit unserem Protest adressieren wir die Augsburger Stadtregierung, niemals Privatpersonen. Zu unseren Projekten gehören:
Fridays for Future Augsburg dankt Greenpeace herzlich für die umfassende juristische Unterstützung – obwohl und insbesondere Janika und Ingo keine Greenpeace-Aktivist*innen waren.
Die Abteilung Staatsschutz
der Augsburger Polizei nutzte den Anlass
der Greenpeace-Aktion gezielt für ein Vorgehen gegen Fridays for Future
Augsburg. Das lässt sich wie folgt nachweisen:
Inhaber: elinor Treuhand e.V.
IBAN: DE48 4306 0967 7918 8877 00
BIC: GENODEM1GLS
Verwendungszweck: ELINORR7XUTF (unbedingt angeben, sonst kann die Spende
nicht zugeordnet werden!)
Für den Fall, dass nicht alle Spenden zur Verteidigung von Alex Mai
benötigt werden, geht der Rest ans Augsburger Klimacamp. Unsere größten
Posten sind neben Campmaterialien, Plakaten, Flyern und Aktionen Rechtskosten
wie eben die bei Pimmelgate Süd. Jedes Verfahren belastet uns mit
(jeder Menge Nerven) und in etwa 0 bis 7.000 Euro. Im Fall von Pimmelgate Süd rechnen
wir mit etwa 4.000 Euro. Auf Anfrage schlüsseln wir die Kosten gerne auf.
Ein anderes (nicht von uns betriebenes) Projekt, bei dem ebenfalls jeder Euro
gute Verwendung findet, ist der Freiheitsfonds. Diese Initiative
befreit deutschlandweit Menschen aus dem Gefängnis, die wegen Fahren ohne
Fahrschein
hinter
Gittern sind.