Sperrfrist Mittwoch (13.4.2022) 19:00 Uhr
Pressekonferenz Donnerstag (14.4.2022) 10:00 Uhr im
Augsburger Klimacamp am Moritzplatz und über Zoom
Staatsschutz)
Pimmelgate Süd ist KEIN Vorfall von rechts gegen links
. Wir
vom Augsburger Klimacamp haben mit der AfD kaum etwas zu tun:
Im Sommer 2020 musste die Polizei zwei AfD-Stadträte des Camps verweisen, weil
sie alkoholisiert pöbelten und sich nicht an Versammlungsauflagen hielten,
und ab und zu kommentiert die AfD auf Facebook unsere Aktivitäten. Das war es
aber auch schon. Die AfD verdient aus unserer Sicht keine besondere
Aufmerksamkeit.
Vielmehr reiht sich Pimmelgate Süd in eine lange Serie von Verfahren der
Abteilung Staatsschutz
gegen friedlichen Klimagerechtigkeitsaktivismus
ein. Pimmelgate Süd ist lediglich der erste Vorfall, den wir öffentlich
machen. Die Abteilung Staatsschutz
versucht schon länger, unter
Ausnutzung immer anderer Anlässe, durch Hausdurchsuchungen Zugriff auf
unsere vertrauliche digitale Kommunikation zu nehmen und uns
einzuschränken.
Eingriff in intimen Schutzbereich
Am Dienstag der vergangenen Woche (5.4.2022) griff die Abteilung
Staatsschutz
der Augsburger Polizei um 6:00 Uhr morgens mit einer
Hausdurchsuchung seiner Wohnung in den intimen Schutzbereich von
Klimaaktivist Alexander Mai (25, Mathematik-Student und IT-Entwickler) ein,
beschlagnahmte seine privaten technischen Geräte sowie seinen Arbeitslaptop
und verschaffte sich so Zugang zu großen Teilen der vertraulichen digitalen
Kommunikation der Augsburger Klimagerechtigkeitsbewegung.
Um 6:52 Uhr endete die Hausdurchsuchung, ohne dass Alexander Mai die
Klimacamp-Anwältin Martina
Sulzberger anrufen oder eine eigene Zeug*in hinzuziehen durfte
(dass Mai nicht telefonieren durfte, ist auch im
polizeilichen Durchsuchungsprotokoll
dokumentiert – einzelnen Pressevertreter*innen
gab die Polizei wohl auf Nachfrage an, dass Mai durchaus hätte telefonieren
dürfen; dies ist eine Falschinformation). Dieses
Recht steht in Deutschland allen Betroffenen von Hausdurchsuchungen zu (§
137 StPO ohne Aufhebung durch § 24 BayPAG; Kanzlei
Röttig: Die Beamten müssen den Betroffenen eine
gewisse Zeit einräumen, um einen Anwalt kontaktieren zu können. Es ist der
Polizei nicht gestattet, Ihnen ein Telefonat mit dem Anwalt zu
untersagen.
, Strafverteidiger Thomas Penneke: Die Polizei
spricht oft ein Telefonverbot während der Hausdurchsuchung aus. Sollten Sie
Ihren Anwalt anrufen wollen, ist das Verbot rechtswidrig. Lassen Sie sich
hiervon nicht abbringen.
, Baumann
Mayer Seidel & Partner mbB: Am Anruf [des Anwalts] hindern darf man Sie
nicht. Sie haben das Recht, auch während der Durchsuchung zu
telefonieren.
).
Alexander Mai und seine Mitbewohnerin erklärten zu Beginn der Hausdurchsuchung deutlich, dass sie nachweislich an Corona erkrankt seien. Ob sich die Durchsuchungsbeamten im Nachgang in Quarantäne begaben, ist nicht bekannt.
Beschlagnahmung ohne ermittlungstechnischen Nutzen
Als Anlass und Rechtfertigung der Hausdurchsuchung gab die Abteilung
Staatsschutz
der Augsburger Polizei an, einer gegen Mai erstatteten
Anzeige eines Beleidigungsvorwurfs von AfD-Stadtratsfraktionsvorsitzendem
Andreas Jurca zu folgen. Auf dem Facebook-Auftritt der Augsburger
AfD-Stadtratsfraktionsvorsitzendem hinterließ Alexander Mai im Oktober
2021 als Reaktion auf einen fremdenfeindlichen Beitrag der
AfD einen Link zu einem Zeitungsfoto des Pimmelgate-Skandals um
Hamburgs Innensenator Andy Grote, der international für Aufsehen sorgte.
Dieser erhielt über Twitter die Nachricht Du bist so 1
Pimmel
, woraufhin die Polizei eine umstrittene Hausdurchsuchung bei
der Meldeadresse des Kommentators durchführte. Facebook fügte durch Mais
Verlinkung ein kleines Vorschaubild dieses Zeitungsfotos in den Kommentar
ein.
Der Durchsuchungsbeschluss gibt an, dass die Beschlagnahmung und Inspektion der technischen Geräte von Alexander Mai nötig für die Ermittlungen sei. Das ist aus technischer Sicht falsch. Bei Facebook hätte die IP-Adresse abgefragt und mit der vom Internetanschluss in Mais Wohnung verglichen werden können. Zudem hätte für eine Bestätigung, dass es sich bei dem Urheber des betreffenden Zeitungsfotolinks tatsächlich um Alexander Mai handelte, ein einfacher Anruf bei Mai genügt. Sogar bei Pimmelgate Nord wurde vorab der Betroffene diesbezüglich befragt. Der schwere Grundrechtseingriff der Hausdurchsuchung hätte dadurch vermieden werden können; mehrere mildere Mittel standen zur Verfügung.
Fridays for Future Augsburg
und das Augsburger Klimacamp geben an:
Sexistische und rassistische Hasskommentare im Internet sind eine
traurige Realität, der wir gesellschaftlich und behördlich viel stärker
begegnen müssen. Zahlreiche Menschen leiden unter solchen Kommentaren,
teilweise massiv. Der von der Abteilung
Staatsschutz
der Polizei für die Hausdurchsuchung von
Alexander Mai als Anlass zweckentfremdete Beleidigungsvorwurf ist
rechtlich nicht haltbar, denn der Link zu einem Zeitungsfoto referenziert
lediglich einen durch die Pimmelgate-Nord-Affäre etablierten geflügelten
Ausdruck ohne persönliche Ansprache, schon gar nicht einer
Ansprache von Andreas Jurca, denn Mai stellte den Link auf der Facebook-Seite der AfD
Augsburg und nicht auf der persönlichen Facebook-Seite von Andreas Jurca
ein.
Zur unverhältnismäßigen Überreaktion beim Pimmelgate-Nord-Skandal gab die
AfD übrigens, in Widerspruch zu ihrem Verhalten in Augsburg, an, dass sich Andy Grote lächerlich gemacht
habe und ihn daher für nicht mehr tragbar
halte
(Quelle: NDR).
Abteilung Staatsschutz
verfolgt seit mehr als zwei Jahren
friedlichen Klimagerechtigkeitsaktivismus in Augsburg
Aus Sorge, dass Berichte über staatliche Repression von Kernanliegen wie einer
Mobilitäts- und Energiewende ablenken könnten, verzichteten Fridays for
Future Augsburg und das Augsburger Klimacamp bislang darauf, ihre
Verfolgung durch die Abteilung Staatsschutz
der
Polizei öffentlich zu machen.
Mit der Pimmelgate-Süd-Affäre brachte die Abteilung
Staatsschutz
das Fass zum Überlaufen. Für die Öffentlichkeit
mag das überraschend kommen, sind doch Klimacamp und Fridays for Future
in ihrer gesamten Existenz nie mit Straftaten auffällig geworden. Doch
diese Hausdurchsuchung reiht sich in eine lange Serie unverständlicher
Ermittlungen durch die Abteilung Staatsschutz
ein, mit immer
denselben zwei verantwortlichen Kriminalkommissaren auf polizeilicher Seite. Fortan werden
Fridays for Future Augsburg und das Augsburger Klimacamp Ermittlungen
gegen friedlichen Klimagerechtigkeitsaktivismus konsequent
veröffentlichen, entsprechende Dienstaufsichtsbeschwerden einreichen und
die Unrechtmäßigkeit der Untersuchungen gerichtlich feststellen lassen.
Unverhältnismäßige Repression gegen Klimagerechtigkeitsaktivist*innen gibt es auch in anderen Städten. Dass Gerichte nachträglich die Illegalität der vorgenommenen Eingriffe (wie im Fall von Inhaftierungen im Rahmen der IAA-Proteste, Krautreporter) oder polizeiliche Zeug*innen in späteren Verfahren dann doch zuvor abgegebene belastende Aussagen korrigieren (wie im Fall Ella im Dannenröder Wald, Gießener Anzeiger), ist für die Betroffenen oft nur ein kleiner Trost.
Überregionale Kritik an Augsburger Staatsanwaltschaft
Die Augsburger Staatsanwaltschaft fiel in der Vergangenheit schon oft durch Irritationen rechtsstaatlicher Grundsätze auf. Besonders bekannt sind die im Nachhinein für rechtswidrig erklärten Hausdurchsuchungen der Verlagsräume der Augsburger Allgemeinen (nachdem der damalige CSU-Ordnungsreferent und jetzige CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich angab, sich in Reaktion auf einen Leserkommentar beleidigt gefühlt zu haben) und des OpenLabs Augsburgs.
Unter allen Staatsanwaltschaften europäischer Städte ist der Wikipedia-Artikel zur Augsburger Staatsanwaltschaft der längste. Zum größten Teil führt er Kritik an ihr auf.
Fridays for Future Augsburg und das Klimacamp Augsburg richteten die Website pimmelgate-süd.de ein, um Spenden für das kommende Gerichtsverfahren zu sammeln.
Wie werden zukünftige
Generationen die zum Teil rechtswidrigen Vorstöße der Abteilung
Staatsschutz
der Augsburger Polizei bewerten, die die Kriminalisierung
von friedlichem Klimagerechtigkeitsaktivismus zum Ziel haben? In einer Welt, in
der die negativen Folgen der Klimakrise Teil des Alltags geworden sind oder nur
mit sehr viel Mühe abgewendet werden konnten, wird man sicher nicht mit
Wohlwollen auf derartige Aktionen in der heutigen Zeit zurückblicken.
Staatsschutz: pp-swn.kpiz.os@polizei.bayern.de
Seit über 600 Tagen ist das Augsburger Klimacamp in der Innenstadt Tag und Nacht besetzt. Wir setzen uns für günstigere Bus- und Trampreise, neue Buslinien, eine Umstellung der Augsburger Stadtwerke auf Ökostrom und andere Themen rund um Klimagerechtigkeit ein. Mit unserem Protest adressieren wir die Augsburger Stadtregierung, niemals Privatpersonen. Zu unseren Projekten gehören: